Bildung. Die Digitalisierung hat in der österreichischen Aus- und Weiterbildung große Relevanz. Doch auch soziale Fähigkeiten werden zukünftig wichtiger.
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Bei der Berufsbildung liegt Österreich dank verschiedenster Möglichkeiten wie dualer Lehre oder berufsbildenden mittleren und höheren Schulen international im Spitzenfeld
Sie kann zweifellos als die Konstante der österreichischen Bildungslandschaft bezeichnet werden: die Lehrlingsquote. Denn während sich die Zahl der Akademiker in den letzten vierzig Jahren knapp vervierfacht (2017: 17,5 Prozent) und jene der Absolventen von mittleren und höheren Schulen ebenfalls deutlich zugenommen hat (30 Prozent), entspricht die Zahl der Frauen und Männer mit Lehrabschluss mit rund 34 Prozent knapp jener zu Beginn der 80er-Jahre (31 Prozent).
Wenn es um das Thema der Bildung der Bevölkerung geht, sind die Werte der höchsten abgeschlossenen Ausbildungen freilich nur einer von zahlreichen Gradmessern. Ebenso immer wieder gern herangezogen wird die bekannte PISA-Studie, die Österreich seit Jahren einen Platz im Mittelfeld, mit leichten Verbesserungen nach oben, beschert.
Top-Fachkräfte
„Eine große Stärke des österreichischen Bildungssystems“, sagt Wolfgang Bliem, ibw – Institut für Bildungsforschung der Wirtschaft, „ist die Berufsbildung, wo wir im Spitzenfeld mit dabei sind, wie sich bei den internationalen Berufswettbewerben Euro Skills und World Skills zeigt. Die besondere Stärke ist die Kombination der Möglichkeiten – von der dualen Lehre bis zu berufsbildenden mittleren und höheren Schulen, die es in dieser Form in vielen Ländern nicht gibt.“
Zukunftsweisende und zugleich berufspraktische Ausbildung wird auch an der HTL Mödling, Österreichs größter Schule, geboten. Im Schuljahr 2020/21 besuchen 3364 Schüler, davon 664 Frauen und 2.700 Männer, die niederösterreichische Bildungseinrichtung mit insgesamt zwölf Abteilungen aus den Bereichen Bau, Strom, Holz und Metall.
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Links: „Durch die Corona-Krise hat die Digitalisierung in der Bildung einen Push bekommen” (Wolfgang Bliem, ibw)
Rechts: „Der Fachkräftemangel ist vor allem im technischen Bereich stark ausgeprägt“ (Hannes Sauerzopf, HTL Mödling)
Relevante Kompetenzen
Direktor Hannes Sauerzopf erinnert, dass Österreichs Wirtschaft gegen einen Fachkräftemangel kämpft, der vor allem im technischen Bereich stark ausgeprägt ist: „Daher ist der Benefit, dass in einer HTL sehr fundierte fachlich-technische Ausbildung mit Allgemeinbildung und Geisteswissenschaft verbunden wird und lösungsorientiertes Handeln im Mittelpunkt steht. Dadurch können relevante Kompetenzen wie Resilienz, kritisches Denken und Ethik erworben werden.“
Bildung 2.0
In Schule wie Erwachsenenbildung aktuell eines der zentralen Themen: die Digitalisierung. Auch an der HTL Mödling spielt sie sowohl in Unterrichtsmethodik als auch Technik eine relevante Rolle. Im Zuge der Corona-Pandemie musste man auf Distance Learning umstellen, so Hannes Sauerzopf, wodurch die Schüler zwangsläufig mit Tools für Videokonferenzen in Kontakt gekommen sind und so gleich auf die Digitalisierung am zukünftigen Arbeitsplatz vorbereitet wurden. In den Fachbereichen arbeitet man mit Methoden, die die Zukunft des Arbeitsmarkts sein werden, erläutert Hannes Sauerzopf: „In der Metallgruppe haben wir die neuen Entwicklungsmethoden der kollaborativen Konstruktion und des kollaborativen Designs. Der Prozess der Produktentwicklung wird dabei auf verschiedene Experten aufgeteilt, die dann dezentral ein Produkt entwickeln.“
Parallel dazu wird ein digitaler Zwilling gebaut, ein simuliertes Produkt, das bereits die Funktionalität des späteren Produktes hat und das man mit einer Augmented Reality Brille begutachten kann. Im Baubereich wiederum gibt es das BIM – Building Information Modeling, wie der HTL Mödling Direktor erklärt: „Dabei werden ganze Gebäude mit einem digitalen Zwilling visualisiert und etwa das Energiemanagement simuliert.“
Vorteile nutzen
Ibw-Forscher Wolfgang Bliem sagt, dass im Bereich der Distance Learnings im Zuge der Corona-Krise viel entwickelt wurde, das weitergenutzt werden „kann, soll und muss“. Das heißt seiner Meinung nach nicht, dass es zum Normalzustand wird, es aber durchaus die Chance gibt, zukünftig gewisse Vorteile zu nutzen: „Alles, wo es um reinen Wissenserwerb geht, kann sehr gut digital vermittelt werden. Die Präsenzphasen können für Methoden und Lerninhalte genutzt werden, wie das Einüben von Inhalten und die soziale Interaktion.“
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Im Präsenzlernen wird soziale Interaktion relevanter
Durch die Digitalisierung haben nicht nur Aus- und Weiterbildungseinrichtungen einen enormen Schub erfahren. Auch in den Unternehmen und Einrichtungen ist die Bedeutung der Digitalisierung, so Bliem, angekommen. Teils sei es gerade für Unternehmen aber noch schwer festzumachen, wer beispielsweise nur Kenntnisse für digitale Büroanwendungen und wer weitgehende Kenntnisse in Datenschutz oder Datenanalyse braucht. Was seiner Ansicht nach ebenfalls eine Herausforderung ist: Trainer zu finden, die diese Kompetenzen vermitteln können.
Zukünftige Themen
Bliem ist überzeugt, dass 2021 die Frage, wie man das Beste beider Welten verbinden kann, die Bildungslandschaft stark beschäftigen wird. Auch die Problematik der sozialen Isolation wird mehr und mehr ein großes Thema und man wird sich im Bildungssektor, davon geht der Experte aus, vor allem darauf fokussieren, sich im Präsenzlernen auf die soziale Interaktion zu konzentrieren und im Distance Learning reinen Wissenstransfer sicherzustellen.
„Unabhängig von Corona müssen wir schauen“, sagt Wolfgang Bliem, „wie wir in den kommenden Jahren Veränderungen in der Lebens- und Berufswelt besser in den Lernsystemen abbilden können. Dazu gehört die Frage, wie man aus dem Fächerdenken im Unterricht herauskommt und wichtige Zukunftskompetenzen, wie die Welt in ihrer Komplexität besser zu verstehen, vermittelt.“
Autor: Sandra Wobrazek