Insolvenzen. Nach dem Rückgang der Firmeninsolvenzen wird für das zweiten Halbjahr 2021 mit einer Pleitewelle gerechnet
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Vor allem Unternehmen im Tourismus wird es hart treffen
Das vorige Jahr brachte eine Reihe von Herausforderungen für die heimische Wirtschaft. In vielen Bereichen glich 2021 einer Achterbahnfahrt. Die unklare Situation um die Corona-Pandemie hielt Unternehmen und Private in Atem. Für viele Menschen und Unternehmen waren die finanziellen Hürden jedoch zu groß und sie mussten Insolvenz anmelden. Wirft man einen Blick auf die Zahlen, so spiegeln diese aber nicht den tatsächlichen Zustand der finanziellen Situation wider. Denn aufgrund der durch die Bundesregierung gesetzten Maßnahmen wie beispielsweise der Stundung von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen oder Moratorien bei den Insolvenzantragspflichten, gab es die niedrigsten Insolvenzeröffnungszahlen seit 1990.
40 Prozent Rückgang
In den ersten drei Quartalen 2020 lag die Anzahl der Insolvenzen laut den Zahlen der Wirtschaftskammer um ein Drittel unter dem Wert von 2019, die Verbindlichkeiten der Insolvenzfälle lag jedoch um über 100 Prozent über dem Jahr davor. Was auch auf die Großpleiten, wie die der Commerzialbank Mattersburg oder der Ex-Meinl Bank jetzt Anglo Austrian AAB AG, zurückzuführen ist.
Betrachtet man das ganze Jahr, meldet der KSV1870 bei einem Gesamtrückgang von fast 40 Prozent nur rund 3.000 Insolvenzen im Unternehmensbereich. Die Passiva stiegen jedoch auf rund drei Milliarden Euro. „Die Maßnahmen im Frühling waren wichtig, um die heimische Wirtschaft nicht in den Abgrund stürzen zu lassen. Nun ist es aber umso wichtiger, wieder das bewährte österreichische Insolvenzwesen seine Arbeit machen zu lassen“, so Karl-Heinz Götze, Leiter KSV1870 Insolvenz. Dass hier Unternehmen, die nicht einmal in einem normal verlaufenden Insolvenzjahr überlebt hätten, künstlich am Leben gehalten würden, sei nur zu offensichtlich, so Götze weiter.
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„2020 wurden nicht lebensfähige Unternehmen künstlich am Leben gehalten“ (Karl-Heinz Götze, Leiter KSV1870 Insolvenz)
Ausblick 2021
Aufgrund des extremen Rückstaus an Insolvenzen und der Zunahme der verschuldeten Haushalte infolge des Verlusts tausender Arbeitsplätze steht für den Alpenländischen Kreditorenverband (AKV) fest, dass auf Österreich eine große Insolvenzwelle zurollen wird. Erwartet wird hier eine Zunahme bis zu 15 Prozent über dem Niveau des Jahres 2019. Fraglich ist lediglich, wann diese Welle tatsächlich losbrechen wird. Dies soll jedoch laut den AKV-Experten spätestens in der zweiten Jahreshälfte 2021 erfolgen, wobei die Einschätzung des Ausmaßes dadurch erschwert wird, dass ab Mitte des Jahres 2021 zwei beabsichtigte Reformen im Bereich des Insolvenz- und Exekutionsrechts in Kraft treten sollen, die sich auf die Anzahl der Insolvenzen massiv auswirken werden, heißt es vom AKV. Man rechne auch damit, dass die Stundungen der öffentlichen Abgaben und Beiträge über den 31. März 2021 hinaus nicht verlängert werden.
„Mir ist bewusst, dass die Insolvenz das Schlimmste, die größte Niederlage ist, was einem im Unternehmerdasein passieren kann“, so Karl-Heinz Götze vom KSV1870. Aber oft sei es der beste Weg, etwa übernommene Altschulden oder alte Ideen abzustreifen und nach einem Insolvenzverfahren einen Neuanfang zu starten.
Die Ruhe vor dem Sturm bei den Privatinsolvenzen
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Im Privatkonkursbereich sollen die Verfahren langfristig bis zu 50 Prozent zunehmen
Es ist ein bekanntes Phänomen: In Zeiten, in denen es der Wirtschaft nicht so gut geht, steigen die Privatpleiten nicht an. Das liegt vor allem daran, dass die Konsumenten im Umgang mit ihrem Geld vorsichtiger sind. Steigende private Verschuldung gibt es eher in guten wirtschaftlichen Zeiten. Das zeigte sich auch im Vorjahr. Die Privatkonkurse sind im ganzen Jahr 2020 um 22,8 Prozent auf 7300 eröffnete Fälle gesunken. Es ging dabei um Verbindlichkeiten in der Höhe von rund 1,1 Milliarden Euro – bei einer durchschnittlichen Schuldenhöhe von rund 150.000 Euro.
Beraten lassen
Viele Menschen sind von einer Verringerung des Einkommens betroffen. Das kann wegen Arbeitslosigkeit, Kurzarbeit oder fehlender Einnahmen als Selbstständige sein. „Oft können dann die Schuldenrückzahlungen nicht mehr wie geplant durchgeführt werden. Genau in solchen Fällen kann die Schuldenberatung helfen”, so Clemens Mitterlehner, Geschäftsführer der ASB Schuldnerberatungen. „Viele Menschen berichten uns derzeit, dass sie niemals gedacht hätten, jemals die Hilfe der Schuldenberatung zu benötigen. Das sind oft Menschen, die nichts falsch gemacht haben und dennoch haben sie nun finanzielle Probleme. Man könnte sagen, die Überschuldung ist in der Mittelschicht angekommen. Mehr denn je brauchen wir einen einfachen und schnellen Privatkonkurs als Möglichkeit zur Schuldenregelung”, fordert Mitterlehner.
Autor: Herta Scheidinger