Gerüstet für zukünftige Herausforderungen

Weiterbildung. Das Interesse der Österreicher an Fortbildungsmaßnahmen ist groß. Einer der Treiber ist die Digitalisierung

 


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Sprachen sind ebenso Dauerbrenner in Sachen Weiterbildung wie digitale Fähigkeiten. Auch mehr und mehr gefragt: Kenntnisse bei Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung

 

Lebenslanges Lernen, ständige Fortbildung, am Puls der Zeit sein – bekannte Weisheiten, die selten zuvor so bedeutsam waren wie derzeit. Denn die Digitalisierung hat nicht nur Berufsbilder verändert und neue geschaffen, sie hat auch Distance Learning und Blended Learning vorangetrieben.
Im Rahmen der Erwachsenenbildungserhebung in den Jahren 2016/17 wurde festgestellt: Im Zeitraum eines Jahres hatten 58,4 Prozent der 25- bis 64-Jährigen an einer Weiterbildungsmaßnahme teilgenommen – von Kursen und Seminaren über Workshops und Vorträge bis Privatunterricht und Einzelschulungen am Arbeitsplatz.

 

Individuelle Regelungen
Michael Tölle, Weiterbildungsexperte der AK Wien, sagt, dass die Bereitschaft sich weiterzubilden groß ist: „Es gibt in Österreich ein gut ausgebautes System an finanziellen Unterstützungen. Ein Recht auf Weiterbildung gibt es aber nur in seltenen Fällen: In manchen Branchen, wie Energieverwertung oder Versicherung und Banken, gibt es Bestimmungen, dass man bis zu einer Woche Bildungsfreistellung bekommen kann.“ Außerdem gibt es Betriebsvereinbarungen: je nachdem wie es geregelt ist, kann man sich in Arbeits- oder Freizeit weiterbilden.
In drei Viertel der Fälle, so der AK-Vertreter, findet die berufliche Weiterbildung in der Arbeitszeit statt und wird vom Arbeitgeber bezahlt. Arbeitnehmer, die am Ball bleiben möchten, können auf das von der AK und dem Waff (Wiener ArbeitnehmerInnen Förderungsfonds) betriebene Programm Digi-Winner setzen. Dabei wird bis Ende 2023 digitale Aus- und Weiterbildung, je nach Einkommen, mit bis zu 5000 Euro gefördert.

 


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75 Prozent aller Fortbildungskurse zahlt der Arbeitgeber

 

Rahmenbedingungen
Eine vom Arbeitgeber angeordnete Weiterbildung kann man nur in bestimmten Fällen ablehnen. Tölle betont, dass sich gewisse Berufsgruppen, wie Hebammen oder diplomiertes Krankenpflegepersonal, aufgrund rechtlicher Bestimmungen zwingend weiterbilden müssen. „Wenn man in anderen Fällen der Meinung ist, dass man etwas schon kann oder nicht braucht, muss man das mit dem Arbeitgeber besprechen. Kurse, die man in der Freizeit absolviert und dem Arbeitgeber verrechnen möchte, sollte man vorab abklären.“

 

Breites Bildungsangebot
Rund 35.000 Menschen nehmen pro Jahr an den Kursen des BFI teil. Die Bandbreite reicht von Lehrabschlüssen und Fachkräfteausbildungen über HAK-/HAS-Matura bis zur Werkmeisterprüfung an der TGA.
„Es war noch nie wichtiger als jetzt, sich weiterzubilden. Nicht zuletzt die Arbeitslosenzahlen zeigen Monat für Monat, dass Menschen mit höherem Bildungsabschluss weniger von Arbeitslosigkeit bedroht sind als jene mit geringer formaler Bildung“, so Franz-Josef Lackinger, Geschäftsführer BFI Wien.
Lackinger betont, dass es nicht „die Digitalkompetenzen“ gibt, die für alle von Nutzen sind. Dennoch: Immer mehr Arbeitnehmer würden zumindest ein Verständnis für die Logik vom Programmieren brauchen. So ist etwa E-Commerce-Know-how im Handel essenziell – und wer seine Produkte bewerben möchte, muss in Sachen Social Media mehr können als „liken“ oder Links-rechts- Wischen.

 

Trend Nachhaltigkeit
Ein weiterer aktueller Trend: „Green Jobs“. Immer mehr Technologien und Berufe, sagt Franz-Josef Lackinger, werden sich im Spannungsfeld der Nachhaltigkeit, Ressourcenschonung und ähnlichem bewegen. „Das bedeutet aber zum Glück nicht, dass wir das Rad gänzlich neu erfinden müssen. Sei es die Elektrikerin, die Solarpaneele installiert, der Fahrradmechatroniker, der unsere E-Bikes serviciert oder die Eventmanagerin, die nachhaltige Veranstaltungen organisiert.“ Viele jetzt schon bekannte Berufsfelder, ergänzt der Weiterbildungsexperte, können wissenstechnisch rasch auf die neuen Anforderungen vorbereitet werden.

 


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„Menschen mit höherem Bildungsabschluss sind weniger von Arbeitslosigkeit bedroht“
(Franz-Josef Lackinger, BFI)

 


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„Es ist für den Arbeitsmarkt wichtig, sich auf dem Gebiet der Digitalisierung weiterzubilden“
(Herbert Schweiger, Wiener VHS)

 

2.000 Online-Kurse
Auch Herbert Schweiger, Geschäftsführer der Wiener Volkshochschulen, bestätigt, dass Neues zu lernen, sich weiterzubilden und den eigenen Horizont zu erweitern in allen Lebensbereichen wichtig ist – ebenso wie die Bereitschaft, sich im Beruf Kenntnisse anzueignen und mit aktuellen Technologien vertraut zu machen.
An den Wiener Volkshochschulen zum Beispiel besuchen im Schnitt jährlich 170.000 Personen einen Kurs. Da aufgrund der Corona-Pandemie derzeit keine Präsenzkurse möglich sind, sind die Wiener VHS mit rund 2.000 Online-Kursen in das Frühjahrssemester gestartet

 

Regelmäßig fordern
Herbert Schweiger sagt, dass man in Sachen Weiterbildung in erster Linie den eigenen Interessen folgen sollte, verweist aber auch auf die große Bedeutung der Digitalisierung: „Sie ist Teil unseres Alltags geworden und es ist auch für den Arbeitsmarkt wichtig, sich in diesem Gebiet weiterzubilden. Besonders Corona hat hier als Beschleuniger gewirkt. Von der Kommunikation mit der Familie bis hin zu Amtswegen werden digitale Skills beruflich und privat immer relevanter.“
Auch sprachliche Fortbildung ist an der größten Sprachschule Wiens einer der Schwerpunkte – von Englisch und Spanisch über Russisch bis Griechisch. Der VHS-Geschäftsführer ist überzeugt: Wer ein breites Interesse am Leben und am Lernen hat, wird das für das Berufsleben nützen können.
Doch die Entscheidung, ob man etwas lernen möchte, sollte nicht nur nach der Nützlichkeit für den Job gefällt werden: „Es ist wichtig, seinen eigenen Talenten nachzugehen, denn wer sich regelmäßig selbst fordert und fördert, bleibt geistig fit und entwicklungsfähig.“

 

Autor: Sandra Wobrazek

 

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