Gründer: Auf den eigenen Beinen stehen

Unternehmen. Die Corona-Krise schreckt Gründer und Start-ups nicht ab. Der Tech-Boom birgt große Chancen

 


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Gründer, die in der Krise ein neues Unternehmen auf den Weg bringen, haben bessere Zukunftsaussichten, da sie mit ungewohnten Situationen besser zurechtkommen

 

Pro Jahr werden laut Wirtschaftskammer Österreich rund 40.000 neue Unternehmen in Österreich gegründet. Noch gibt es keine Statistik für das Krisenjahr 2020, aber Experten schätzen, dass die Pandemie geringe Auswirkungen auf die Zahl der Neugründungen in Österreich hatte.
Elisabeth Zehetner-Piewald, Bundesgeschäftsführerin des Gründerservice in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ): „Die zuletzt verfügbaren Zahlen und das ungebrochene Interesse an unseren Gründungsberatungen lassen uns darauf hoffen, dass sich die Anzahl der Neugründungen trotz Corona-Krise auf dem Niveau der Vorjahre einpendeln wird. Das ist angesichts der dramatischen Herausforderungen, die das Jahr 2020 für die Wirtschaft mit sich brachte, schon außergewöhnlich.“

 

 

Wagemutige Gründer
Wie es scheint, lassen sich Menschen, die eine gute Idee haben und ihre Zukunft in der Selbstständigkeit sehen, trotz widriger Rahmenbedingungen nicht so leicht abschrecken. Zehetner-Piewald: „Das zeigt, dass heimische Gründerinnen und Gründer keine Schönwetter-Aktivisten sind, die sich gleich beim ersten Regentropfen in die Komfortzone zurückziehen. Im Gegenteil: Sie gehen ohnehin davon aus, dass die erste Zeit sehr schwierig wird. Eine Studie hat gezeigt: Wer in der Krise gegründet hat, fühlt sich von der Krise sogar weniger betroffen, weil er oder sie das Risiko einer krisenhaften Entwicklung von vornherein einkalkuliert hat.“
Doch die aktuelle Situation braucht ein gewisses Maß an Stabilität und Planbarkeit. Gründer, die die persönlichen Risiken einer Selbstständigkeit auf sich nehmen, erwarten von der Regierung richtungsweisende Entscheidungen, damit das Potenzial der neuen Unternehmergeneration für Wachstum und Arbeit voll ausgeschöpft wird. „Daher wünschen sich Österreichs Gründerinnen und Gründer einerseits aufschwungfördernde Maßnahmen wie die Senkung von Steuern und Lohnnebenkosten oder auch die Abschaffung der Mindest-KöSt. Zusätzlich ist aber auch Planungssicherheit im Hinblick auf Lockdowns oder Covid-Schutzmaßnahmen ein wichtiges Anliegen, damit die jungen Unternehmen voll durchstarten können“, so Zehetner-Piewald.

Regierung reagiert
Im Regierungsprogramm sind bereits wesentliche Punkte enthalten, die man gerade jetzt anpacken sollte. Darunter fällt zum Beispiel die dauerhafte Senkung des Mindeststammkapitals auf 10.000 Euro, die pauschalierte Absetzbarkeit des Arbeitsplatzes im Wohnungsverband oder Anreize für Risikokapital, wie die Einführung des Beteiligungsfreibetrages. Ein großes Thema, das bei Gründern schon lange auf der Agenda steht, ist die Digitalisierung der Verwaltung. Zehetner-Piewald: „Gründer wünschen sich eine einfache digitale Gründung, die die Kosten minimiert (keine Notariatspflicht), die Gründungsdauer samt Eintragung ins Firmenbuch unter 24 Stunden senkt sowie unbürokratische Änderungen und Übertragungen von Gesellschaftsanteilen – ganz gleich, ob das nun Ltd. heißt oder auch anders.“

Nachhaltigkeit zählt
Doch bei den Themen, die bei Neugründungen hat, die Pandemie Spuren hinterlassen. Waren früher Handel und Gastronomie wichtige Gründungssegmente, so hat sich hier ein tief greifender Wandel vollzogen. Zehetner-Piewald: „Nach der Covid-Krise werden die Themen Umwelt und Klima zunehmend in den Blickpunkt rücken und damit auch die Unternehmen als Lösungsanbieter für gesellschaftliche Herausforderungen. Somit sehe ich sehr viel Potenzial für Österreichs Unternehmernachwuchs im Bereich Green-Tech, aber auch für Impact Entrepreneurship.“

 


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Links: „Was jetzt sicherlich am meisten helfen würde, wären steuerliche Anreize für private Investitionen“ (Bernhard Lehner, Co-Founder Vorstand startup300 AG)
Rechts: „Heimische Gründer sind keine Schön- wetter-Aktivisten, die sich gleich in die Kom- fortzone zurückziehen“ (Elisabeth Zehetner-Piewald, Bundesgeschäftsführerin des WKÖ-Gründerservice)

 

Start-ups im Wandel
Die aktuelle Krise hat auch zu zahlreichen Veränderungen in der technologiegetriebenen heimischen Start-up-Branche geführt. Bernhard Lehner, Vorstand und Co-Founder der startup300 AG: „Generell können Start-ups unsichere Zeiten eher für sich nutzen, so ist es auch jetzt. Sie haben durch ihre Flexibilität und hohe Geschwindigkeit eine hohe Business-Resilienz in Krisen. Gleichzeitig haben Start-ups meistens ein digitales Geschäftsmodell, was sich durch den „Digital-Boom“ durch Corona tendenziell positive auswirkt. Und drittens war die ’Hilfe zur Selbsthilfe’ durch den Covid-19-Hilfsfonds seitens der Regierung ein kleiner, aber wichtiger Impuls, der einiges privates Kapital in Bewegung gesetzt hat.“

Digitalisierungsturbo
Besonders der durch die Krise angestoßene digitale Wandel hat der Start-up-Szene einen echten Push gegeben. Lehner: „Die Krise hat diesen unvermeidlichen Prozess in einigen Industrien, wie etwa dem Handel, für wirklich jeden begreifbar gemacht. Dieser Turbo pusht die digitalen Geschäftsmodelle von Start-ups, was aber in Österreich mit seinem großen Rückstand in vielen Bereichen der Digitalisierung auch höchste Zeit ist.“ Eine besonders hohe Dynamik gibt es dabei vor allem in den Bereichen Medizin-Technologie, E-Commerce oder EduTech, also die Digitalisierung von Wissensvermittlung. Auch die Digitalisierung von Finanzdienstleistungen und Banken, öffentlichen Services, Verkehr und Cyber-Security bleibt auch weiterhin auf der Agenda vieler erfolgreicher Start-ups.

Steuerliche Anreize
Aber auch die Start-up-Szene brauchte in den vergangenen Monaten Unterstützung, um durch die schweren Zeiten zu kommen. Sehr geholfen hat dabei der Covid-19-Hilfsfonds, der unkompliziert sowie schnell abrufbar war und der auch viel privates Kapital in Bewegung gebracht hat. Leider war dieser viel zu klein bemessen und damit bereits im Sommer 2020 ausgeschöpft. Lehner: „Was jetzt sicherlich am meisten helfen würde, wären steuerliche Anreize für private Investitionen. Die Junge Wirtschaft hat die Kampagne ’investieren in Österreich’ gestartet, in der ein Beteiligungsfreibetrag von 100.000 Euro, umgelegt auf 5 Jahre, gefordert wird. Das wäre zwar im Vergleich zu anderen Ländern wie Großbritannien nur ein kleiner Schritt, aber immerhin in die richtige Richtung und stünde ja auch im Regierungsprogramm. Bleibt zu hoffen, dass das schnell umgesetzt wird. Die Reformen im Gesellschaftsrecht, an denen gearbeitet wird, könnten auch nachhaltige Wirkung haben.“

Änderung im Mindset
Der Zustand der heimischen Start-ups ist also besser, als man angesichts der schwersten Krise seit dem zweiten Weltkrieg glauben könnte. Aber für die Experten aus der Szene war schon vor der Krise klar, dass Österreich im Start-up-Bereich schon vor Covid-19 noch nicht auf der Überholspur fährt und es dorthin auch nicht so schnell schaffen wird. Lehner: „Dazu fehlen in Österreich privates Risikokapital, genügend gründungswillige Menschen, die bereit sind, auch Risiken einzugehen. Darüber hinaus klappt es zum Beispiel auch mit der Vernetzung zwischen Unis und Wirtschaft noch immer nicht so, wie man es brauchen würde. So lange das Thema ’Start-up Nation’ nicht von der Regierungsspitze zum Ziel erklärt und konsequent in einem mehrstufigen Plan umgesetzt wird, werden Start-ups in Österreich ein Nischenthema bleiben, das einer kleinen Elite vorbehalten ist.“

 

 

Autor: Stephan Scoppetta

 

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