Lehrausbildung. Die österreichische Industrie bietet jungen Menschen attraktive Ausbildungsplätze in technischen Berufen und damit ein starkes, stabiles Fundament für ihre berufliche Zukunft und ihren Karriereweg
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Mit der Ausbildung von derzeit 200 Lehrlingen im eigenen Haus, sichert sich Engel seinen konstant hohen Bedarf an Facharbeitern und baut so für die Zukunft vor
Die Ausbildung von Lehrlingen in der Industrie ist ein Standortfaktor für Österreich. Sie ist entscheidend für die Innovationskraft und damit für die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Industrie. Außerdem bietet die Ausbildung Fachkräften auch vielfältige Karrieremöglichkeiten und ist ein starkes, stabiles Fundament für die berufliche Zukunft. Mit Stand 31. Dezember 2020 gab es in Österreich 108.416 Lehrlinge, davon bildet die Industrie rund 16.500 Lehrlinge aus. Im Spartenvergleich ist sie damit der zweitgrößte Lehrlingsausbildner im Land. Trotzdem ist es für die Unternehmen oft schwer, ihre freien Ausbildungsplätze zu besetzen. „Leider ist das Ansehen der Lehre in der Gesellschaft bei Weitem nicht dort, wo es sein müsste. Heute kann jemand, der eine MINT Lehre macht, wesentlich schneller Karriere machen und die Gehaltsleiter hinaufklettern, als das mit so mancher Schulausbildung der Fall ist“, so Joachim Haindl-Grutsch, Geschäftsführer der Industriellenvereinigung OÖ. Dabei ist eine Lehre heute keine bildungspolitische Sackgasse mehr. „Die Lehre ist heute im Bildungsweg nach oben offen für alle jene, die sich höherqualifizieren wollen. Jetzt muss es uns nur gelingen, es ins Bewusstsein der Eltern und Lehrer zu bringen, dass die Lehre erste Wahl für eine zukunftsträchtige ENGEL AUSTRIA GMBH SEMPERIT AG HOLDING Ausbildung ist. Das neue Bild der Industrie heißt Robotik, Digitalisierung, modernste Technologien und ein attraktives Arbeitsumfeld“, ist Haindl-Grutsch überzeugt.
Lehrlinge ansprechen
Semperit bildet in Österreich momentan 15 Lehrlinge in Berufen wie Elektrotechnik/ Anlagen- & Betriebstechnik, Metalltechnik/Maschinenbautechnik und Automatisierungstechnik aus. „Wir konnten in den letzten Jahren alle ausgeschriebenen Lehrstellen besetzen, aber die Anzahl an qualifizierten Bewerbern wird zusehends geringer“, erklärt Wolfgang Passini, Lehrlingsausbilder am Semperit-Standort Wimpassing. Die Ausbildung baut durch die technische Entwicklung und Digitalisierung wesentlich stärker auf fundierten Mathematikkenntnissen auf, etwa um computerunterstützte Maschinen und Anlagen programmieren zu können. „Sich stetig verändernde Anforderungen durch neuere Techniken, Materialien und Werkzeuge verlangen permanente Flexibilität und Lernbereitschaft, um auf dem neuesten Stand der Technik zu bleiben. Die Vernetzung von Anlagen und Maschinen ist nicht mehr wegzudenken und zum Standard geworden“, so Passini und weiter: „Auch die Verknüpfung von Theorie und Praxis mit relevanten sozialen Kompetenzen ist wichtig, um selbstständiges Arbeiten zu ermöglichen. Die Berufsbilder werden zusehends eng miteinander verwoben, ein gutes Beispiel hierfür ist etwa der Beruf des Mechatronikers.“
Um interessierte junge Menschen – vor allem auch Mädchen – anzusprechen, bietet Semperit ein umfangreiches Schnupperprogramm zur Orientierung und Berufsfindung an. Auch ein „Tag der Lehre“ wurde eingeführt, um Lehrlinge direkt im Unternehmen für die Lehrberufe zu begeistern. Aufgrund der aktuellen Corona-Situation konnte dieser leider heuer nicht stattfinden. Daher wird im Jahr 2021 verstärkt auf Online-Lehrlingsmatching mit den umliegenden Schulen gesetzt. „Semperit hat sich mit dem Beitritt zur Charta „Wir geben Zukunft“ auch in herausfordernden Zeiten zur Lehrlingsausbildung bekannt, da wir weiterhin aktiv unsere Fachkräfte intern ausbilden wollen“, so Passini.
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Am Semperit-Standort Wimpassing kümmert sich Wolfgang Passini (Mitte, in Rot) um die betriebsinterne Ausbildung von Lehrlingen zu motivierten Fachkräften
Vernetzte Produktion
Der Spritzgießmaschinen-Erzeuger Engel gehört in der Kunststoffindustrie zu den Vorreitern der Digitalisierung, und dies spiegelt sich bereits in der Lehrausbildung wider. „Wir bereiten die Lehrlinge früh darauf vor, in einer vernetzten Produktionsumgebung zu arbeiten und digitale Tools einzusetzen. Bereits im ersten Ausbildungsjahr fertigen sie Formteile und Funktionselemente, die in den Spritzgießmaschinen verbaut werden“, erklärt Werner Wurm, Leiter der globalen Lehrlingsausbildung bei Engel, und weiter: „Was die Ausbildung selbst betrifft, vermitteln wir immer mehr Lerninhalte virtuell. Wir arbeiten mit Apps und kommunizieren über ein Videokonferenzsystem, das wir allen Lehrlingen für das Smartphone zur Verfügung stellen.“ Für Wurm haben sich weniger die Lehrinhalte und Berufsbilder verändert, sondern die Gewichtung innerhalb der Berufe. „Mechatronik gewinnt weiter an Bedeutung, weil dieses Berufsbild eine sehr gute Basis für viele gefragte Tätigkeitsfelder ist. Zum Beispiel die Elektrokonstruktion oder die Automatisierungstechnik, die in der mechatronischen Ausbildung bei Engel im Fokus steht“, so Wurm. Um der großen Bedeutung der Mechatronik Rechnung zu tragen, bietet Engel seit drei Jahren zusätzlich zur klassischen Lehrausbildung die Duale Akademie Mechatronik an. Dieses von der Wirtschaftskammer Oberösterreich entwickelte Ausbildungsangebot richtet sich an AHS-Absolventen mit Matura, die in einer verkürzten Ausbildungszeit den Beruf des Mechatronikers mit Schwerpunkt Automatisierungstechnik erlernen können. Die Ausbildung schließt mit dem von der Wirtschaft anerkannten Abschluss DA Professional ab. Bei Engel beinhaltet die Duale Akademie zudem ein Auslandspraktikum an einem internationalen Unternehmens- Produktionsstandort, zum Beispiel in den USA, in China oder Korea.
Eigene Lehrwerkstätten
In Österreich absolvieren bei Engel derzeit 200 junge Frauen ihre Lehre. Mit der Ausbildung im eigenen Haus sichert sich das Unternehmen den Nachwuchs für seinen konstant hohen Bedarf an Facharbeitern. „Die meisten Auszubildenden bleiben nach Abschluss ihrer Ausbildung im Unternehmen“, so Wurm. Um für junge Menschen in einem breiteren Einzugsbereich attraktiv zu sein, hat Engel vor drei Jahren zusätzlich zur Lehrwerkstätte am Stammsitz in Schwertberg an den Produktionsstandorten St. Valentin und Dietach weitere Lehrwerkstätten mit eigenen Ausbilderteams eröffnet. Zudem bietet das internationale Unternehmen Lehrlingen die Möglichkeit, einen Teil der Ausbildung im Ausland zu absolvieren. „Engel engagiert sich sehr stark, junge Menschen schon früh für Technik zu begeistern. Dafür kooperieren wir mit Schulen, präsentieren unser Angebot auf Ausbildungsmessen, nehmen regelmäßig am ,Girls Day’ teil und engagieren uns an der Kinderuni“, erklärt Werner Wurm. Besonders wichtig ist auch die Mundpropaganda. Viele bewerben sich, weil bereits jemand aus der Familie oder dem Freundeskreis bei Engel arbeitet. Die technische Ausbildung ist auch für Mädchen interessant. „Wir haben in allen acht technischen Ausbildungsberufen weibliche Lehrlinge. Insgesamt entscheiden sich immer mehr Frauen für einen technischen Beruf. Die guten Karriereperspektiven sind ein Grund dafür, darüber hinaus die Verdienstmöglichkeiten, die im Maschinenbau oft besser sind als in anderen Berufen“, so der Lehrlingsausbilder.
Autor: Helene Tuma